Dienstag, 04 Januar 2022 11:13

Empörung über Atompläne Empfehlung

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Neujahrskater 2022 Neujahrskater 2022 Foto: Heiko Sakurai

Von dpa

EU-Kommission will die Kernkraft als grüne Energiequelle einstufen / Kritik aus Berlin und Wien.

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen hat mit Plänen zur indirekten Förderung moderner Atom- und Gaskraftwerke für Entsetzen bei Umweltschützern und Kernkraftgegnern gesorgt. Organisationen wie Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe warfen der Behörde am Wochenende vor, ein vollkommen falsches Signal zu setzen und ihre eigenen Klimaziele zu untergraben.

In Deutschland gab es angesichts des beschlossenen Atomausstiegs und der Abschaltung von drei Kernkraftwerken am Silvesterabend (Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen) vor allem wegen der Kommissionspläne für ein grünes Label für bestimmte Investitionen in neue Akw und Laufzeitverlängerung Aufregung. Die "Hochrisikotechnologie" Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, sei falsch, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Der Atommüll werde die EU über Jahrhunderte belasten. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte: "Atomkraft ist zu riskant, zu teuer und zu langsam, um der Welt beim Klimaschutz zu helfen." Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) nannte den Vorstoß der EU-Kommission energie- und klimapolitisch einen absoluten Irrweg.

Konkret sehen die Pläne der EU-Kommission vor, dass in Ländern wie Frankreich, Polen und den Niederlanden geplante Investitionen in neue Akw als nachhaltig klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 vorgelegt wird. Zudem soll Bedingung sein, dass die neuen Anlagen bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten.

Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen insbesondere auf Wunsch Deutschlands ebenfalls als nachhaltig eingestuft werden können. Dabei würde zum Beispiel relevant sein, wie viel Treibhausgase ausgestoßen werden und ob sich die Anlagen spätestens 2035 auch mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas betreiben lassen können. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, Deutschland benötige moderne Gaskraftwerke als Übergangstechnologie, "weil wir auf Kohle und Kernkraft verzichten".

Die Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten durch die EU-Kommission im Rahmen der sogenannten Taxonomie soll Anleger in die Lage versetzen, ihre Investitionen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umzustellen. Dies soll wesentlich dazu beitragen, dass die EU von 2050 an klimaneutral wirtschaftet.

Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis zum 12. Januar Zeit, den Entwurf zu kommentieren. Seine Umsetzung kann nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten, oder mindestens 353 Abgeordnete im EU-Parlament.

Eine solche Mehrheit zusammenzubekommen gilt als unwahrscheinlich, da sich neben Deutschland lediglich Länder wie Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal klar gegen eine Aufnahme der Atomkraft aussprechen – und auch eine ausreichende Mehrheit gegen die geplanten Gasregeln nicht in Sicht ist. In Italien dringt die Regierungspartei Lega nun gar auf ein neues Referendum zu einem Wiedereinstieg in die Kernkraft. Österreich droht mit einem Gang vor den Europäischen Gerichtshof.

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