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Dienstag, 18 Januar 2022 11:34

Jochen Stay ist tot

Hamburg, den 18.01.2022

Am Wochenende hat uns völlig überraschend die Nachricht erreicht: Unser Freund, Mitstreiter und Kollege Jochen Stay ist tot. Jochen war Mitgründer, Geschäftsführer und Sprecher von .ausgestrahlt sowie Vorstandsmitglied der von .ausgestrahlt initiierten Stiftung Atomerbe.

Wir sind zutiefst traurig und erschüttert. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, die sich Raum zum Trauern wünscht. Jochen hat nicht nur Spuren in Mutlangen, Wackersdorf und Gorleben hinterlassen, sondern vor allem auch in den Herzen seiner Familie und Wegbegleiter*innen.  

Jochens Tod ist nicht nur für .ausgestrahlt ein immenser Verlust. Sein Wirken hat die Anti-Atom-Bewegung seit den 1980er-Jahren mitgeprägt und zu vielen ihrer Erfolge maßgeblich beigetragen. Auch zahlreiche andere Bewegungen und Kampagnen profitierten von Jochens Erfahrung und Rat.

2008, als der „Spiegel“ auf dem Titelbild die Anti-Atom-Sonne untergehen ließ, gründete Jochen mit einer Handvoll Mitstreiter*innen die Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, die Hunderttausenden Atomkraftgegner*innen eine Stimme verlieh und den Widerstand gegen Atomkraft wieder sichtbar machte. Anti-Atom-Sonnen, Unterschriftensammlungen und Großdemos machten den Anfang. Und wir fassten ein kühnes Ziel: Den Betrieb der AKW nicht nur kritisch zu begleiten, sondern sie tatsächlich abzuschalten. Unrealistisch? Nicht in Jochens Augen. Denn er wusste: Wo Konflikt ist, können wir auch Einfluss nehmen. Und der Dissens um Atomkraft, der die ganze Gesellschaft spaltete, lag offen wie lange nicht mehr. Jochen hatte die Idee, die schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen 2009 zu „belagern“. Wochenlang beherrschten die Anti-Atom-Proteste die Berichterstattung aus dem politischen Berlin. Und während Union und FDP an der Laufzeitverlängerung der AKW feilten, erweiterte Jochen das Repertoire der Anti-Atom-Bewegung um die einst gegen Pershing-Raketen erprobte Protestform der Menschenkette. 120 Kilometer, so seine Vision, vom AKW Brunsbüttel bis zum Pannenmeiler Krümmel. Manch große Umweltorganisation riet ob der Gefahr des Scheiterns eindringlich ab. Jochens Zugkraft und Überzeugung aber riss genug andere mit. Am 24. April 2010 formierten sich 120.000 Menschen entlang der Elbe zum längsten Anti-AKW-Protest in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Laufzeitverlängerung verhinderte das zunächst zwar nicht. Das Protestfass aber war voll bis an den Rand. Der Super-GAU von Fukushima brachte es zum Überlaufen – und der nachfolgende Protest Hunderttausender läutete Merkels Atom-Wende ein. Fast die Hälfte der damals noch laufenden AKW ging sofort vom Netz.

Auch der Protest gegen ein Atommüll-Lager im Gorlebener Salzstock, den Jochen jahrzehntelang mit prägte, führte 2020 zum Erfolg. Das hielt Jochen nicht davon ab, den Finger weiter in die Atommüll-Wunde zu legen: Niemand konnte die Defizite und falschen Versprechungen des laufenden Standortsuchverfahrens präziser benennen als er.

Jochens Sachverstand und seine Begeisterungsfähigkeit werden uns fehlen, genau wie sein Dickkopf und seine Überzeugungskraft, seine Klarheit, sein Einsatz, seine Verantwortungsbereitschaft und sein großes Herz. Sein meist untrügliches Gespür für politische Gelegenheiten. Und seine immense Erfahrung, wie Protest erfolgreich Einfluss auf politische Konflikte nehmen kann.

Noch am Freitag haben wir mit Jochen zusammen die .ausgestrahlt-Themen und ‑Aktionen der nächsten Monate geplant. Gemeinsam haben wir die Weichen für die Neuausrichtung von .ausgestrahlt gestellt, die mit dem Abschalten der letzten AKW Ende 2022 ansteht. Auf diesen historischen Erfolg, das Aus der letzten drei von einst 36 AKW, hat Jochen über Jahrzehnte hingearbeitet, die letzten 14 Jahre zusammen mit .ausgestrahlt. Dass er diesen Moment nun nicht mehr erleben und mit uns feiern kann, trifft uns mehr als schmerzvoll.

Jochen war sich bewusst, dass seine bestehende Herzerkrankung sein Leben irgendwann abrupt beenden könnte. Von Plänen und Projekten hielt ihn dies nicht ab. Am Samstag, den 15. Januar 2022, ist er im Alter von 56 Jahren plötzlich und viel zu früh gestorben.

Die Lücke, die Jochens Tod reißt, ist groß, auch bei .ausgestrahlt. Aber .ausgestrahlt hat stets davon profitiert, dass es auf vielen Schultern ruht und alle, Mitarbeiter*innen wie Ehrenamtliche, ihr Engagement und ihre Kompetenzen einbringen. Das werden wir auch weiterhin tun: .ausgestrahlt wird seine Anti-Atom-Arbeit – auch im Sinne Jochens – weiterführen. Selbst nach dem Abschalten der letzten AKW Ende des Jahres bleibt da jede Menge zu tun, vom Umgang mit dem Müll bis zu den noch laufenden Atomfabriken, von der atomfreundlichen EU-Taxonomie bis zum Wiederaufflackern irrer Atom-Träume unter dem Deckmantel angeblichen Klimaschutzes.

Daneben gilt es, die Errungenschaften und Erfolge der Anti-Atom-Bewegung, die weit über das Atom-Thema hinausstrahlen, zu sichern und als das zu benennen, was sie sind: Der Beweis, dass es sich lohnt, selbst für zunächst utopisch erscheinende Ziele zu kämpfen. Der Beweis, dass, wenn sich die scheinbar Ohnmächtigen zusammenschließen und sich wehren, es die scheinbar Mächtigen unendlich schwer haben, ihre Pläne durchzusetzen. Das war einer von Jochens Lieblingssätzen. Wir werden ihn nicht vergessen.

 
Die Trauerfeier und Beisetzung von Jochen finden im engsten Kreis statt. Daneben wird es vor Ostern einen öffentlichen, Jochen-gemäßen Abschied geben, den .ausgestrahlt mit vorbereitet. Näheres dazu werden wir rechtzeitig bekanntgeben. Auf dieser Seite findest Du Ende nächster Woche noch einen ausführlicheren Nachruf.
 

Darüber hinaus wollen wir Erinnerungen an, Erlebnisse mit und Gedanken zu Jochen zusammentragen und ggf. auch öffentlich teilen. Möchtest Du daran mitwirken, schicke Deinen Beitrag gerne an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Bitte schreib jeweils dazu, ob wir ihn – ggf. mit Namen oder anonym – veröffentlichen dürfen oder nicht.

Drei Organisationen war Jochen besonders verbunden. Spenden an diese wären in Jochens Sinn:

Die Arbeit der Stiftung Atomerbe kannst Du hier mit einer Spende unterstützen

Atomkraft und fossiles Gas sollen von der EU ein Öko-Label als „nachhaltige“ Technologien erhalten! Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Beschlussvorlage in den nächsten Wochen verabschiedet wird. Einer der Hauptverantwortlichen für diesen Skandal ist der französische Präsident Emmanuel Macron, der am 19. Januar im EU-Parlament in Straßburg sein wird, um den Ratsvorsitz zu übernehmen.

BUND Baden-Württemberg und BUND Südlicher Oberrhein rufen zusammen mit deutschen und französischen Organisationen (.ausgestrahlt, Sortir du Nucléaire, Stop Fessenheim, EWS Schönau, Mahnwache Breisach, Koala-Kollektiv u.a.) zu einer bunten Protestaktion in Straßburg auf:

WANN: am Mittwoch, den 19. Januar um 10 Uhr
WO: Der genaue Ort der Aktion wird gerade mit den Behörden geklärt. Sobald er feststeht, wird er hier im Termin ergänzt.

Diese Aktion ist geplant: Mehrere Menschen in weißen Schutzanzügen mit schwarzen Gasmasken übergießen gelbe Atommüll- und rote Gas-Fässer mit giftgrüner Farbe, um das Greenwashing zu symbolisieren.
Unser Protest zeigt, dass die Taxonomie in dieser Form nicht akzeptabel ist. Lasst uns gemeinsam dem EU-Parlament deutlich machen, dass wir diesen Wahnsinn nicht widerspruchslos hinnehmen! Wir freuen uns über alle, die mitprotestieren!

Kontakt vor Ort für BUND-Aktive:

Stefan Auchter, BUND Südlicher Oberrhein, 0761/4014413

 

Mehr Informationen

Kommt zahlreich, bringt Eure BUND-Fahnen mit, achtet auf Abstände und tragt FFP2 Masken.

Bitte beachtet auch die aktuellen Einreisebestimmungen für Frankreich (für vollständig Geimpfte gibt es derzeit keine Beschränkungen): https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/frankreichsicherheit/209524

Wenn ihr vorhabt, an der Aktion teilzunehmen,  schickt bitte eine kurze E-Mail (Betreff genügt: „Ich bin am 19.1. dabei“) an aktion(at)bund-bawue.de  – wir informieren euch dann bis Montag, 17.1., 18 Uhr, wo der Treffpunkt sein wird. Im Moment steht dieser leider noch nicht fest.

 

Termindetails

Startdatum:

19. Januar 2022

Enddatum:

19. Januar 2022

Uhrzeit:

10:00 Uhr

Ort:

Der genaue Ort der Aktion wird gerade mit den Behörden geklärt. Sobald er feststeht, wird er hier im Termin ergänzt.

Veranstalter:

 

BUND Südlicher Oberrhein, BUND Baden-Württemberg, .ausgestrahlt, Sortir du Nucléaire, Stop Fessenheim, EWS Schönau, Mahnwache Breisach, Koala-Kollektiv u.

Von Niklas Záboji, Paris

2012 sollte der AKW-Neubau in der Normandie ursprünglich abgeschlossen werden. Jetzt verzögert sich die Fertigstellung abermals – bis ins Jahr 2023. Die Kosten steigen ebenfalls.

Frankreichs erster Druckwasserreaktor der neuen Generation (European Pressurized Reactor, EPR) wird noch teurer und später fertig als bislang geplant. Das gab der staatliche Energiekonzern EDF am Mittwoch bekannt. Statt Ende dieses Jahres soll Flamanville 3 nun im Laufe des zweiten Quartals 2023 in Betrieb genommen werden können. Die von EDF kommunizierten Kosten steigen von 12,4 auf 12,7 Milliarden Euro. Der Konzern verweist darauf, dass man die Inbetriebnahme dem „durch die Pandemie erschwerten industriellen Kontext anpassen“ müsse.

Der Bau von Flamanville 3 in der Normandie läuft seit dem Jahr 2007. Der Reaktor mit einer Leistung von 1650 Megawatt sollte ursprünglich im Jahr 2012 ans Netz gehen und 3,4 Milliarden Euro kosten. Doch immer wieder kam es zu Verzögerungen. Auch jetzt stehen noch wichtige Arbeiten an. Unter anderem muss die Modernisierung von Schweißnähten am Sekundärkreis abgeschlossen werden. Nicht nur dort gab es in der Vergangenheit Baumängel – und auch deshalb schätzt der französische Rechnungshof die Gesamtkosten des Projekts mittlerweile auf mehr als 19 Milliarden Euro.

EDF betont, dass die „komplexeste“ Bauphase, Schweißarbeiten an der Reaktorhülle, abgeschlossen und von der Atomaufsicht als konform eingestuft wurden. Gelassen zeigt sich der Konzern auch mit Blick auf die kürzlich bekannt gewordenen Probleme mit den Brennelementen des typgleichen Druckwasserreaktors in Taishan in China. Den dort festgestellten mechanischen Verschleiß bestimmter Komponenten der Baugruppe gebe es auch bei anderen Rektortypen in Frankreich. „Dieses Phänomen stellt das EPR-Modell nicht in Frage“, schreibt EDF. Zudem würden die dort gesammelten Erfahrungswerte in Flamanville berücksichtigt.

In Taishan stehen bislang die beiden einzigen Reaktoren dieses Typs. Auf europäischem Boden wurde der EPR in Olkiluoto in Finnland im Dezember fertig, zwölf Jahre später als geplant. Ans Netz gehen soll er in den nächsten Tagen. Zudem wird ein EPR-Reaktor in Hinkley Point in Großbritannien gebaut. Stand jetzt soll er im Jahr 2026 ans Netz gehen können.

 

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung kritisiert die Pläne, Atomkraft als nachhaltige Energieform einzustufen. Die EU-Entscheidung sei nicht nachvollziehbar. Wichtige Punkte seien unberücksichtigt geblieben.

Die EU will Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig einstufen, der dort produzierte Strom soll damit als klimafreundlich gelten. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) warnt davor, diese Pläne umzusetzen.

Die EU-Kommission verstelle den Blick darauf, dass Atomenergie nicht nachhaltig sei, heißt es in der Analyse, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Zentrale Kriterien, wie etwa die Gefahr von nuklearen Unfällen oder die Schwierigkeiten bei der Entsorgung von Atomabfällen, würden in der EU-Abwägung viel zu wenig beachtet.

Einstufung sei aus fachlicher Sicht nicht haltbar

Den EU-Plänen zufolge sollen Investitionen in neue Atomkraftwerke als nachhaltig klassifiziert werden, falls sie neuesten Standards entsprechen und ein konkreter Plan für den Umgang mit dem radioaktiven Müll vorliegt. Der Chef des BASE, Wolfram König, bezeichnet Atomenergie als Hochrisikotechnologie, die auch die "Gefahr des Missbrauchs von radioaktivem Material für terroristische und kriegerische Zwecke" berge. Aus fachlicher Sicht sei die Einordnung von Atomkraft als nachhaltig nicht haltbar.

 
Kommenden Generationen bürden wir damit erhebliche Lasten auf, die auch mit dem Anspruch der Generationengerechtigkeit nicht in Einklang zu bringen sind.

In vielen europäischen Ländern sei die Haftung der Kraftwerksbetreiber stark limitiert. Für schwere Unfälle mit erheblichem Austritt von Radioaktivität würden die Haftungssummen nicht ausreichen, so das Bundesamt. Auch greife das Argument, Atomkraftwerke würden kaum klimaschädliche Gase ausstoßen, zu kurz. Es werde in der Klimabilanz lediglich der Betrieb der Kraftwerke betrachtet, nicht aber etwa Rückbau oder Urangewinnung, die durchaus zum Ausstoß von Treibhausgasen führten.

Pläne auch in anderen EU-Staaten umstritten

Die Einstufung ist auch in anderen EU-Staaten umstritten. Trotzdem gilt als wahrscheinlich, dass der Vorschlag der EU-Kommission angenommen wird - denn zu wenige Mitgliedsstaaten haben sich bisher gegen die Einstufung von Atomkraft als nachhaltig ausgesprochen. Deutschland selbst ist bei der Frage gespalten, da neben Atomkraftwerken auch Gaskraftwerke als nachhaltig eingestuft werden sollen.

Von Nils Kögler

Die EU plant die Atomkraft zur "grünen Energie" zu erklären. Speziell Frankreich setzt im Kampf gegen den Klimawandel auf die CO2-arme nukleare Energie. Experten sind skeptisch.

"Ausgerechnet Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, ist bei dieser Hochrisikotechnologie falsch" – so reagierte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen auf den Vorstoß der EU-Kommission, Gas- und Atomkraft künftig unter bestimmten Bedingungen als "grüne Energien" einzustufen.

Deutschland verfolgt seit Jahren eine gegensätzliche Politik und hat den Ausstieg aus der Atomkraft fast abgeschlossen. Zu Jahresbeginn gingen drei der bislang sechs verbleibenden Kernkraftwerke vom Netz. Die drei letzten Meiler sollen spätestens Ende dieses Jahres folgen. 

Doch die meisten Nachbarländer verfolgen eine andere Strategie. Speziell Frankreich setzt voll auf nukleare Energie. Um die Klimaziele zu erreichen, will das Land weiter in die relativ CO2-arme Form der Stromgewinnung investieren. Der Vorstoß der Kommission ein solches Vorgehen unter Umständen zu fördern, hat auch in Deutschland wieder Befürworter der Atomenergie auf den Plan gerufen.

Kritiker klagen über den riskanten "deutschen Sonderweg" des zeitgleichen Ausstiegs aus Kohle- und Atomstrom. Die Tatsache, dass Deutschland 2021 laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes Milliarden Kilowattstunden Strom aus Frankreich importieren musste, befeuert die kritischen Stimmen. Ihre Meinung zum Thema können Sie uns so mitteilen. Doch Experten warnen, dass sich am Ende Frankreich auf einem teuren Irrweg wiederfinden könnte.

Kurswechsel durch Macron

56 Atomreaktoren an 18 Standorten sind in Frankreich zurzeit aktiv. Mehr Meiler gibt es nur in den USA. 70 Prozent des Stromverbrauchs und 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs deckt das Land mit seinen Atomkraftwerken ab. Doch viele der Meiler sind alt und werden zunehmend anfällig für Probleme. Erst 2020 ging mit dem Kernkraftwerk Fessenheim an der deutschen Grenze das bis dahin älteste Kraftwerk des Landes nach langem politischen Hin und Her vom Netz.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzte nach seiner Wahl 2017 zunächst auch auf einen Atomausstieg und wollte Deutschland auf seinem Kurs Richtung erneuerbarer Energien folgen. Er plante den Atomstromanteil auf 50 Prozent zurückfahren und schon bis 2025 viele Atomkraftwerke stillzulegen. Doch eine anhaltende Energiepreiskrise bewegte den Präsidenten zum Umdenken.

Nun setzt er weiter auf Atomstrom und will rund eine Milliarde Euro in neue Reaktoren investieren. Dabei sollen auch neue Technologien, wie "Small Modular Reactors" (SMR) – oder zu deutsch: Modulare Minireaktoren – zum Einsatz kommen. Sie sollen günstiger und schneller zu bauen sein und zudem mehr Sicherheit gewährleisten als konventionelle Kraftwerke

Kritik des Rechnungshofes

Die Bevölkerung in Frankreich scheint mehrheitlich hinter Macrons neuem Atomkurs zu stehen. 52 Prozent sprachen sich in einer Umfrage für die Nutzung von Atomenergie ergänzend zu den Erneuerbaren aus. Zehn Prozent befürworteten gar eine ausschließliche Nutzung der Atomkraft, während 37 Prozent einen Atomausstieg wollten.

Der französische Stromnetzbetreiber RTE behauptete zudem, dass die Stromversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien das Land im Jahr 2050 ein Drittel mehr Geld kosten würde, als der Mix aus je 50 Prozent Atomkraft und Erneuerbaren. Die RTE begründete dies mit dem notwendigen Netzausbau.

Doch es gibt auch Kritik an den Plänen der Regierung. Insbesondere der französische Rechnungshof zweifelt an der finanziellen Nachhaltigkeit. Laut seinen Berechnungen würde der französische Betreiber der Kernkraftwerke, die Firma EDF, bis 2030 circa 100 Milliarden Euro investieren müssen, um die Lebenszeit der bestehende Meiler um lediglich zehn Jahre zu verlängern. Das entspräche dem dreifachen des Börsenwerts des Unternehmens. Pro Reaktor würden also Kosten von rund 1,7 Milliarden Euro anfallen – umgerechnet rund 55 Dollar pro Megawattstunde (MWh) erzeugtem Strom.

Der Neubau eines konventionellen Atomkraftwerks würde gar 130 bis 200 Euro pro MWh kosten, kritisiert Ben Wealer, Energiewirtschaftsexperte an der Technischen Universität Berlin, gegenüber dem "Handelsblatt". Der Neubau Photovoltaik (PV) würde laut Wealer aktuell zwischen 29 bis 42 Euro pro MWh kosten und von Windkraft zwischen 26 bis 54 Euro pro MWh. 

"Nie eine wettbewerbsfähige Energiequelle"

Für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat Wealer die Wirtschaftlichkeit der Atomkraft untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass keines der zwischen 1951 und 2017 gebauten 674 AKWs "unter wettbewerblichen Bedingungen" entstand. Die kommerzielle Nutzung von Kernenergie sei Nebenprodukt militärischer Entwicklungen und schaffe "nie den Sprung zu einer wettbewerbsfähigen Energiequelle".

Hinzu kommt die lange Bauzeit der Meiler. Die Wissenschaftsvereinigung Scientists for Future (S4F), die zu Nachhaltigkeitsthemen forscht, beziffert die Bauzeit eines konventionellen Atomkraftwerks auf 15 Jahre. 

Auch der französische Rechnungshof befürchtet, dass die neuen Kraftwerke nicht termingerecht und zu vernünftigen Kosten gebaut werden könnten. So wird beispielsweise der Reaktor in Flamanville frühestens 2023 mit einer Verspätung von elf Jahren ans Netz gehen. Die Kosten haben sich demnach von 3,3 auf 19 Milliarden Euro vervielfacht. 

Auch Minireaktoren zu teuer

Doch was ist mit den neuartigen Minireaktoren? Die Experten von S4F halten die Technologie für noch nicht ausgereift. Nach ihren Angaben benötigten die SMRs noch Jahrzehnte bis zu einer kommerziellen Nutzung. Für das Erreichen der Klimaziele könnten sie deshalb genauso wenig einen Beitrag leisten wie die bauaufwendigen herkömmlichen Atomreaktoren. 

Zudem sieht ein vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in Auftrag gegebenes Gutachten die Minireaktoren trotz des geringeren Baupreises "gegenüber anderen Energietechnologien wirtschaftlich weit unterlegen". Die Kosten für einen Minireaktor liegen laut Schätzungen bei mindestens einer Milliarde Euro. Ihre Leistung von 300 Megawatt ist dabei nicht mit denen von konventionellen Atomkraftwerken (1.000 bis 1.600 Megawatt) vergleichbar.

Es müssten also unzählige der Minireaktoren gebaut werden, um die konventionellen Kraftwerke zu ersetzen. Macrons Investitionsvorhaben wirkt angesichts dieser Zahlen nahezu mickrig. Es bräuchte also private Investoren, doch für die seien die Minireaktoren uninteressant, so Wealer. 

Der Plan Macrons, weiter auf Atomkraft als Eckpfeiler der französischen Energiegewinnung zu setzen, könnte sich somit als milliardenschwerer Irrweg entpuppen. Nicht zuletzt deshalb ist der französische Präsident eine der treibenden Kräfte hinter dem Plan der EU-Kommission, die Kernenergie als nachhaltig einzustufen. Nur so könnten doch noch ausreichend private Investoren angelockt werden, um seine Pläne zu verwirklichen.

Für die Kritiker der Atomenergie klingt das wie ein Albtraum. "Es besteht die reale Gefahr, dass sich der Markt entsprechend ausrichtet", sagt Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, dem "Handelsblatt". "Damit würden benötigte Innovationen und Investitionen in erneuerbare Energien möglicherweise nicht in gleichem Maße erfolgen."

Verwendete Quellen:

Kommentar

Von Daniela Weingärtner

Der irrwitzige Plan der EU-Kommission zum Wohle der Kernkraft und des Erdgases zeigt auch: In Brüssel weiß man längst, dass die ehrgeizigen Fristen aus dem Green Deal nicht zu schaffen sind.

In vielen europäischen Haushalten wurden an Silvester kurz vor Mitternacht die Korken in der Sektflasche gelockert. Aus der EU-Kommission wurde zur selben Zeit ein Schreiben an die Mitgliedsstaaten verschickt, das einen lauteren Knall erzeugte als jede Flaschengärung. Atomkraft und Erdgas dürfen demnächst als "nachhaltige Übergangstechnologien" etikettiert und in Finanzprodukten entsprechend beworben werden.

Es geht nicht um die Option, diese Energiequellen direkt zu subventionieren. Doch Nachhaltigkeitslabel werden immer beliebter, auch bei der Geldanlage. Deshalb wurde die Entscheidung aus Brüssel mit Spannung erwartet, und der Veröffentlichungszeitpunkt stellt einen recht plumpen Versuch dar, den Aufreger im Aufmerksamkeitsloch um die Jahreswende verschwinden zu lassen.

Eine Mehrheit im Europaparlament oder eine Gruppe von mindestens 20 Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, könnten das Projekt noch stoppen. Doch damit rechnet niemand.

Denn mit ihrer Entscheidung sorgt die EU-Kommission dafür, dass die beiden einflussreichsten Mitgliedsländer Frankreich und Deutschland energiepolitisch zufriedengestellt werden und sich gegenseitig gewähren lassen. Zwar erklärte der neue grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck immerhin, dass Atomkraft nicht nachhaltig sei. Doch auch er hat sich inzwischen genügend Überblick verschafft, um zu sehen, dass Deutschland noch viele Jahre auf Gasenergie und Atomimporte angewiesen sein wird, wenn Industrie und privaten Haushalten nicht der Saft ausgehen soll.

Große Aufregung bei Umweltverbänden


Die EU-Kommission hat am Montag erläutert, dass es nur um Investitionen in Übergangslösungen, um die Nachrüstung der Sicherheitstechnik und Endlagerprojekte geht. Dennoch ist die Aufregung bei Umweltverbänden und ökologisch denkenden Zeitgenossen groß – zu Recht.

Denn es liegt nun ein Plan auf dem Tisch, der Milliarden in Atommeiler der 3. Generation "und höher" spült und damit Fakten schafft, die sich nicht in der von Brüssel anvisierten Zeitspanne bis 2045 wieder aus der Welt schaffen lassen. Von der Möglichkeit, längst schrottreife Akw aufzurüsten und bis 2040 weiter zu betreiben, ganz zu schweigen.

Müll strahlt mehrere Millionen Jahre


Genau deshalb müssten die französischen Nuklearpläne auch grundsätzlich anders beurteilt werden als das deutsche Festhalten an Gasimporten. Erdgas kann schrittweise durch CO2-ärmere Varianten ersetzt, das ganze Netz mittelfristig für den Transport von grünem Wasserstoff umgewidmet werden. Atommeiler liefern zwar schon heute klimaneutralen Strom, doch der dabei entstehende Müll strahlt mehrere Millionen Jahre. Der Rückbau der abgeschalteten Akw-Ruinen würde zudem viele weitere Generationen belasten.

In der Verordnung, die Parlament und Mitgliedsstaaten auf Vorschlag der EU-Kommission beschlossen haben, steht klipp und klar: Technologien, deren "langfristige Abfallbeseitigung eine erhebliche und langfristige Beeinträchtigung der Umwelt verursachen kann", dürfen nicht als nachhaltig kategorisiert werden, auch nicht übergangsweise. Es fallen einem wenige Beispiele ein, die besser in diese Kategorie passen als Atommüll.

Führt man sich die lächerlich kurzen Fristen vor Augen, in denen neue Meiler gebaut und wenig später wieder abgeschaltet werden sollen, lässt das nur einen logischen Schluss zu: In Brüssel weiß man schon, dass die ehrgeizigen Fristen aus dem Green Deal nicht zu schaffen sind. Deshalb richtet man den Blick auf CO2-arme Übergangsenergieträger, die aber deutlich länger ihren Dienst tun werden als bis 2050.

Kommissionschefin Ursula von der Leyen muss ja auch nicht fürchten, an ihren ehrgeizigen grünen Visionen gemessen zu werden. Bis der Schwindel auffliegt, ist sie längst nicht mehr im Amt.

Dienstag, 04 Januar 2022 11:13

Empörung über Atompläne

Von dpa

EU-Kommission will die Kernkraft als grüne Energiequelle einstufen / Kritik aus Berlin und Wien.

Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen hat mit Plänen zur indirekten Förderung moderner Atom- und Gaskraftwerke für Entsetzen bei Umweltschützern und Kernkraftgegnern gesorgt. Organisationen wie Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe warfen der Behörde am Wochenende vor, ein vollkommen falsches Signal zu setzen und ihre eigenen Klimaziele zu untergraben.

In Deutschland gab es angesichts des beschlossenen Atomausstiegs und der Abschaltung von drei Kernkraftwerken am Silvesterabend (Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen) vor allem wegen der Kommissionspläne für ein grünes Label für bestimmte Investitionen in neue Akw und Laufzeitverlängerung Aufregung. Die "Hochrisikotechnologie" Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, sei falsch, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Der Atommüll werde die EU über Jahrhunderte belasten. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte: "Atomkraft ist zu riskant, zu teuer und zu langsam, um der Welt beim Klimaschutz zu helfen." Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) nannte den Vorstoß der EU-Kommission energie- und klimapolitisch einen absoluten Irrweg.

Konkret sehen die Pläne der EU-Kommission vor, dass in Ländern wie Frankreich, Polen und den Niederlanden geplante Investitionen in neue Akw als nachhaltig klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 vorgelegt wird. Zudem soll Bedingung sein, dass die neuen Anlagen bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten.

Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen insbesondere auf Wunsch Deutschlands ebenfalls als nachhaltig eingestuft werden können. Dabei würde zum Beispiel relevant sein, wie viel Treibhausgase ausgestoßen werden und ob sich die Anlagen spätestens 2035 auch mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas betreiben lassen können. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte, Deutschland benötige moderne Gaskraftwerke als Übergangstechnologie, "weil wir auf Kohle und Kernkraft verzichten".

Die Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten durch die EU-Kommission im Rahmen der sogenannten Taxonomie soll Anleger in die Lage versetzen, ihre Investitionen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umzustellen. Dies soll wesentlich dazu beitragen, dass die EU von 2050 an klimaneutral wirtschaftet.

Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis zum 12. Januar Zeit, den Entwurf zu kommentieren. Seine Umsetzung kann nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten, oder mindestens 353 Abgeordnete im EU-Parlament.

Eine solche Mehrheit zusammenzubekommen gilt als unwahrscheinlich, da sich neben Deutschland lediglich Länder wie Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal klar gegen eine Aufnahme der Atomkraft aussprechen – und auch eine ausreichende Mehrheit gegen die geplanten Gasregeln nicht in Sicht ist. In Italien dringt die Regierungspartei Lega nun gar auf ein neues Referendum zu einem Wiedereinstieg in die Kernkraft. Österreich droht mit einem Gang vor den Europäischen Gerichtshof.

Von dpa

Das höchste französische Verwaltungsgericht hat die Endlagerung von giftigem Müll in der elsässischen Untertagedeponie Stocamine gestoppt. Nun müssen die Abfälle geborgen werden.

Das höchste französische Verwaltungsgericht hat die Endlagerung von giftigem Müll in der umstrittenen elsässischen Untertagedeponie Stocamine gestoppt. Nach der Klage von 60 Politikern und der Europäischen Gebietskörperschaft Elsass erklärte der Verwaltungsrat in Paris die Pläne, die Abfälle auf Dauer in der ehemaligen Mine zu belassen, am Mittwoch für nichtig.

In der Deponie Stocamine in Wittelsheim nahe Mulhouse wurde seit 1999 gegen den Protest von Umweltschützern und Bürgerinitiativen Giftmüll wie Zyankali, Arsen und Quecksilber gelagert. 2002 brach in 535 Metern Tiefe ein Feuer aus, das erst nach Tagen gelöscht werden konnte. Seither ist die Anlage geschlossen.

42.000 Tonnen Giftmüll lagern in der Deponie


Die Deponie war auf bis zu 320 000 Tonnen giftigen Mülls ausgelegt. Zuletzt befanden sich knapp 42 000 Tonnen Müll darin. Umweltschützer fürchten, dass aus der Mine Giftstoffe ins Grundwasser gelangen. Die Präfektur hatte stets argumentiert, es sei riskanter, die Abfälle zu bergen, als sie unterirdisch abzuschirmen.

Die Europäische Gebietskörperschaft Elsass rief den Staat nach dem Gerichtsentscheid am Mittwoch auf, gemeinsam nach einer von allen getragenen Lösung zu suchen. Es gehe darum, industrielle Verfahren zur Verarbeitung der Abfälle zu finden.

Der Verweigerung der elsässischen Abgeordneten 2010 erfuhren die elsässischen Atomkraftgegner, dass die deutschen Unternehmer des Gewerbeparks Bremgarten diesen gern erweitern wollten.

Da letzteren dazu jedoch sowohl Grundstücke als auch Arbeitskräfte fehlten, wünschten sie, gegenüber linksseitig des Rheins, also direkt neben Fessenheim einen deutsch-französischen Gewerbepark zu errichten.

Im Zusammenhang mit der angekündigten Stilllegung des Atomkraftwerks und deren unvermeidlichen Auswirkungen auf Arbeitsplätze war das eine hervorragende Gelegenheit, die zu ergreifen war. Auch haben die Antiatom-Vereinigungen verschiedene Abgeordnete der (Anm: elsässischen) Region um Fessenheim darauf angesprochen. Leider haben diese regionalen Politiker sich verweigert: Sie blendeten die unvermeidliche Stilllegung des Atomkraftwerks Fessenheim kategorisch aus, weil sie nur kurzfristig dachten, und haben zurückgewiesen, die Machbarkeit eines solchen binationalen Gewerbeparks zu prüfen. Nur ein einziger Abgeordneter des „Haut-Rhin“ folgte der Einladung von „Stop Fessenheim“: er traf sich mit deutschen Unternehmern und war am Ende des Treffens auch von dem Projekt überzeugt. Aber auch er schaffte es nicht, die Abgeordneten aus dem Umfeld Fessenheims dafür zu gewinnen, da jene es vorzogen, sich mit einer parteiischen Logik zu verschanzen. Daraufhin haben die Vereine das Projekt „deutsch-französischer Gewerbepark“ und auch andere Vorschläge für die sozio-ökonomische Zukunft des Gebiets ausgearbeitet und dem Präsidenten der Republik vorgelegt.

Als Francis Rol-Tanguy zum interministeriellen Beauftragten für die Stilllegung des Atomkraftwerks Fessenheim und die Umwandlung des Standortes ernannt wurde, haben die Atomkraftgegner ihm die Vorschläge in allen Einzelheiten erläutert. Und trotzdem hat sich wieder nichts weiterbewegt! Die Aufnahme ins „Projet de Territoire“ (Raumprojekt) von Fessenheim In einer Sitzung in der Präfektur des „Haut-Rhin“ am 19.01.2018 wurden die Atomkraftgegner endlich von Martin Guespéreau angehört, dem Stabschef von Sébastien Lecornu (Anm.: Staatssekretär des damaligen Umweltministers Nicolas Hulot). Seitdem gelang es den Regierungsverantwortlichen, die Berücksichtigung dieses deutsch-französischen Gewerbeparks im Begleitausschuss durchzusetzen: in Bremgarten fand eine Besichtigung staatlicherseits statt. Und die Perspektive eines deutsch-französischen Gewerbeparks wurde in das sehr offizielle (Anm.: grenzüberschreitende) „Projet de Territoire“ (Raumprojekt) zu Fessenheim aufgenommen.

 

Ein Schulungs-Labor für den Rückbau

Der Rückbau des Atomkraftwerks Fessenheim ist notwendig, weil es in einer Erdbebenzone und auch 8,50 m unterhalb des Rhein-Seiten-Kanals liegt. Der Rückbau des Atomkraftwerks Fessenheim ist notwendig, weil es in einer Erdbebenzone und auch 8,50 m unterhalb des Rhein-Seiten-Kanals liegt. Nicht alle Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass man Atomkraftwerke zurückbauen sollte. Denn das Zerkleinern der Bauteile setzt zahlreiche radioaktive Partikel frei und erhöht so die Risiken.

Andere bevorzugen eine unterirdische Lagerung am Standort. Dann müsste vor allem die Bevölkerung (jene, die mehrere Jahrzehnte lang vom Geldsegen profitierte) in der Nachbarschaft von Atomanlagen weiterleben, für immer verstrahlt... Aber in Fessenheim steht das Atomkraftwerk in einer besonderen Erbebenzone und liegt 8,50 m unter dem Niveau des Rhein-Seiten-Kanals (Grand Canal d’Alsace). Von diesem ist es nur durch einen Deich getrennt, dessen Festigkeit über mehrere Jahrhunderte niemand garantieren kann. Wenn sich eine Atommülllagerung unter der Erdoberfläche verbietet, ist der Rückbau erforderlich

JA zur Rückbau-Laborschule

• damit die Nahregion für mehrere Jahrzehnte an
den Arbeitsplätzen teilhat
• um den Standort Fessenheim so gut wie möglich
zu dekontaminieren
• um für die so sehr erwartete Energiewende ein
starkes politisches Zeichen zu setzen
• um Fachleute auszubilden, die möglichst risikoarm
arbeiten
• um Verfahren zu entwickeln, die für den Atomausstieg unentbehrlich sind
• um die physikalischen Veränderungen des Stahls
nach über 40-jährigem Neutronenbeschuss zu
beob achten und zu messen und den tatsächlichen
Sprödbruch-Punkt festzustellen
• um die wahre Höhe der Kosten für den Rückbau
der Reaktoren (Serie 900 MW) zu beziffern und in
der Folge vom Betreiber (Anm.: EDF) zu verlangen,
die finanziellen Rücklagen dazu anzupassen

• und um das Elsass schließlich endgültig von der
Atomenergie zu befreien.

Kein laufender Rückbau kann für den französischen Atomkraftpark so repräsentativ sein wie der von Fessenheim.

In Frankreich sind bisher nur einige ganz kleine Reaktoren (wie z.B. derjenige der Universität Strasbourg) komplett zurückgebaut worden. Die anderen begonnenen Rückbau-Arbeiten ziehen sich quasi ewig hin (denn die Technologien sind nicht mehr aktuell) und sind nicht repräsentativ für den heutigen Atomkraftpark:

  • Brennilis hat einen Gas-Schwerwasser-Reaktor (HWGCR). Sein 1985 begonnener Rückbau wird sich noch lange hinziehen!
  • Bei Chinon A1-A2-A3 und Bugey 1 handelt es sich um 4 Graphit-Gas-Reaktoren (UNGG).
  • Beim Super-Phénix ist es ein Natrium-gekühlter Schneller Brüter (RNR).
  • Und selbst der Druckwasserreaktor von Chooz A (in den Ardennen, REP - PWR) ist nicht wirklich repräsentativ, weil er in einer Kaverne liegt und mit seinen 305 MW deutlich kleiner ist als alle anderen Reaktoren (880 MW bis 1450 MW). Es ist also daher klar, dass das Atomkraftwerk Fessenheim, Prototyp als Druckwasserreaktor (PWR) und als erster zur Abschaltung vorgesehen, der KraftwerksPrototyp für den Rückbau werden könnte ... zum damit Schule machen! Auf der Grundlage dieser Feststellung haben unsere Vereinigungen schon 2011 der Regierung vorgeschlagen, Fessenheim zur Rückbau-Laborschule zu machen.

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Hinweis der deutschen Mitherausgeber:

Das geplante Technocentre würde radioaktive Abluft und Abwässer in die Umgebung abgeben und somit auch die deutsche Seite belasten. Es gilt also "Wachsam bleiben"
gemeinsam mit den Organisationen aus dem Elsass. Bitte sich informieren
bei den Vereinigungen. Gedruckte Fassungen der Broschüre ggf. gegen Unkostenbeitrag, solange vorrätig. Spenden sind erbeten für alle hierunten genannten Vereinigungen, Konto: siehe Webseiten

 

Diese Broschüre ist eine Übersetzung des französischen Originals, letzteres veröffentlicht von CSFR Comité de Sauvegarde de Fessenheim et dela Plaine du Rhin, Stop Fessenheim, Alsace Nature und Stop Transports Halte au nucléaire,

Kontakt: www.stop-fessenheim.org.

Vorlage: Franck
Dautel und André Hatz, 2019. Zu den Abbildungsrechten auf Nachfrage.

Übersetzung ins Deutsche:
Helma Hein, Dr. Georg Löser, Ilse Martin.
Redaktion der deutschen Fassung:
Dr. Georg Löser.
Satz der deutschen Fassung:
Klaus-Dieter Käser (office-care.ch)

 

Mitherausgeber der deutschen Fassung (2021):

ECOtrinova e.V., bei Treffpunkt Freiburg e.V., Schwabentorring 2, 79098 Freiburg, ecotrinova.de

ideell mit

 

Liebe Menschen im Umwelt- und Fessenheim-Verteiler,

Die französische Rechtspopulistin Le Pen fordert die Wieder-Inbetriebnahme von Fessenheim

(In diesem Video ab Minute 4.29)

https://www.ardmediathek.de/video/swr-aktuell-baden-wuerttemberg-oder-sendung-18-00-uhr-vom-21-11-2021/swr-bw/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE1NjgzNDU/

Doch  auch der franz. Regierungssprecher Gabriel Attal widerspricht.

«Fessenheim ist eines der ältesten Atomkraftwerke Frankreichs, eine Modernisierung wäre extrem teuer, ausserdem befindet es sich auf dem grössten Grundwasserspeicher Europas», sagte Regierungssprecher Gabriel Attal am Donnerstag dem Sender LCI.

Damit erteilte er auch Forderungen der rechtspopulistischen Präsidentschaftskandidatin eine Absage, die Fessenheim wieder in Betrieb nehmen wollte. «Wir haben daher die verantwortungsvolle Entscheidung getroffen, Fessenheim zu schliessen», sagte Attal.

Das altersschwache AKW Fessenheim wurde nach langen Kämpfen am 29.6.2020 endlich abgeschaltet.

Doch einen offiziellen Verzicht auf den Kraftwerksstandort Fessenheim am Rhein hat es nie gegeben. Eine zukünftige, rechtsradikale, französische Regierung könnte den Standort jederzeit wieder aus der Schublade holen. Auch der wirtschaftsliberale Präsident Macron setzt auf die vermeintliche "Wunderwaffe" Atomkraft im verloren gehenden Krieg gegen Mensch, Klima, Umwelt und Natur.

Darum auch hier schon mal eine Grafik mit einer "sanften Drohung".

Gruß

Axel

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