Mittwoch, 27 Januar 2021 20:08

In Fessenheim könnte eine Schmelzanlage für Reaktorschrott entstehen

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In Fessenheim könnte eine Schmelzanlage für Reaktorschrott entstehen Philipp von Ditfurth (dpa)

Von Bärbel Nückles

 

Mit dem bevorstehenden Rückbau des Akw Fessenheim benötigt der staatliche Stromerzeuger EDF demnächst eine Lösung für die größeren Mengen anfallenden Akw-Materials. Denn Fessenheim ist erst der Anfang.
Weitere Akw werden in den kommenden Jahren wohl keine Laufzeitverlängerung bekommen. Außerdem sieht die langfristige Energieplanung schrittweise die Abschaltung älterer Akw vor. Der Transport der kontaminierten Bauteile ins Ausland – in Schweden hat EDF vor wenigen Jahren eine Recycling-Anlage für ausgedientes Akw-Material gekauft – dürfte nur bedingt möglich sein. Daher die Pläne für die Schmelzanlage.

Auf dem Grundstück in Fessenheim ist noch Platz

Bleibt die Standortfrage. Denn nachdem zunächst noch Tricastin in Südfrankreich als Alternative genannt worden war, erscheint Fessenheim inzwischen der Favorit der EDF zu sein. Bei einer Sitzung zur nationalen Planung für den Umgang mit nuklearen Reststoffen stellten Vertreter von EDF im November 2020 das Projekt Technocentre vor. Die Veranstaltung fand als Videokonferenz statt.

Jean-Marie Brom, Atomphysiker und langjähriger Umweltaktivist aus dem Elsass, hat die Referate und Gespräche verfolgt. Auf Nachfrage stellte EDF dabei klar, dass in Frankreich nur eine solche Anlage geplant sei; diese beabsichtige man in Fessenheim einzurichten.

Marie-Hélène Bouhand-Mergey, Sprecherin von EDF in Fessenheim, bestätigt auf BZ-Anfrage: "Fessenheim ist der Standort, den EDF für das Technocentre vorschlägt." Als Gründe nennt sie an erster Stelle das neben den stillgelegten Reaktoren verfügbare Grundstück. Dort hatte EDF in den 1970er Jahren zwei weitere Reaktoren geplant, aufgrund der anhaltenden Proteste am Oberrhein jedoch von deren Bau abgesehen.

Für Fessenheim spricht die Nähe zum Rheinseitenkanal

Hinzu kommt, dass mit dem nördlich von Fessenheim am Rheinseitenkanal geplanten Ableger des Hafens von Colmar die Voraussetzungen für die Anlieferung von großen Ladungen wie Dampferzeugern geschaffen würden. Für Fessenheim spreche auch die überschaubare Entfernung von etwa 300 Kilometern zum französischen Zwischenlager für nukleare Reststoffe im Département Aube. Dorthin würde die Schlacke transportiert, in der sich Radioaktivität beim Schmelzvorgang sammelt.

Für Jean-Marie Brom sind vor allem zwei Punkte problematisch: Die bisherige Rechtslage verbietet die Weiterverarbeitung von Metall aus der Atomindustrie; dies wird nun durch die neuen Dekrete aufgehoben. Neben dem drohenden Anlieferverkehr, der zu einem guten Teil über den Kanal kommen dürfte, ist zudem nicht klar, welche Größe die Anlage haben wird und welchen Standards sie etwa beim Emissionsschutz folgt.

Skeptische Stimmen von deutscher Seite

Während viele elsässische Politiker die Pläne befürworten, weil das Technocentre 150 neue Jobs schaffen soll, ist man auf deutscher Seite alles andere als begeistert. Erstmals erfuhr die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer bei einem deutsch-französischen Arbeitstreffen im September 2018 in der Präfektur in Colmar von dem Vorhaben der EDF. Sie hält den französischen Standort Tricastin wegen seiner Nähe zum Meer "von der Logistik her für sinnvoller und wirtschaftlicher".

Im RP habe man die Hoffnung, dass das Technocentre nicht in Fessenheim angesiedelt werde, sagte Schäfer gestern. Die Baden-Württembergische Landesregierung wie auch der Bund haben sich mehrfach kritisch zu den Plänen geäußert. So nannte der Stuttgarter Umweltminister Franz Untersteller auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Gabi Rolland (SPD) "die Ansiedlung des Technocentre kontraproduktiv für die wirtschaftliche Neuaufstellung der Region".

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  • Verfasser: Bärbel Nückles
  • NewsTitel: Schmelzanlage für Reaktorschrott ?
Gelesen 4811 mal Letzte Änderung am Freitag, 19 Februar 2021 15:50